Theaterdichter der Apokalypse: Dramatiker Harald Mueller ist tot - DER SPIEGEL
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![Autor Mueller: Neudichtung von »Sintflut samt Arche Noah« Autor Mueller: Neudichtung von »Sintflut samt Arche Noah«](https://cdn.prod.www.spiegel.de/images/ee933c8f-7fd0-4920-a1bf-0009d6befe7f_w948_r1.778_fpx57.15_fpy50.jpg)
Autor Mueller: Neudichtung von »Sintflut samt Arche Noah«
Foto: Margit Tabel-GersterSein berühmtestes Stück spielte mitten im Weltuntergang. Der Dramatiker Harald Mueller erregte 1986 nach dem Atomunglück im russischen Tschernobyl mit dem Stück »Totenfloß« auch international Aufsehen. Am Montag ist er, wie seine Familie mitteilte, im Alter von 87 Jahren gestorben. Der SPIEGEL lobte Mueller, der mehr als zwanzig Theaterstücke, Hörspiele und Drehbücher unter anderem in Zusammenarbeit mit dem Regisseur Volker Schlöndorff verfasste, einmal als »grüblerischen Phantasten«.
Mueller wuchs in Ostpreußen auf, floh am Ende des Zweiten Weltkriegs als Elfjähriger mit seiner Familie ins schleswig-holsteinische Lütjenburg und arbeitete nach einem Mittlere-Reife-Abschluss unter anderem als Bergmann. In München und Berlin absolvierte er eine Schauspielausbildung und ein Studium. Mit Mitte 30 war er ein gefeierter Jungautor, dessen Stück »Großer Wolf« vom damals jungen Regisseur Claus Peymann an den Münchner Kammerspielen inszeniert wurde. »Die Chronik einer marodierenden Kriegskinderbande, durch Berichte aus Vietnam angeregt, faszinierte durch die scharfe, expressiv verkürzte Sprache und die visionäre Kraft der Bilder«, urteilte der SPIEGEL.
Nach weniger erfolgreichen Stücken und einigen Jahren als Dramaturg am Berliner Schillertheater gelang dem Autor Mueller mit dem 1984 zunächst ohne nennenswerte Resonanz uraufgeführten Drama »Totenfloß« mit zwei Jahren Verzögerung ein spektakulärer Erfolg. Mehr als zwanzig deutschsprachige Bühnen und viele Theater in anderen Ländern zeigten das Stück, das nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl im April 1986 als Drama der Stunde galt. Abermals in den Münchner Kammerspielen zeigte der Regisseur George Tabori im Dezember 1986 eine besonders gelungene Interpretation, die auf einer weitgehend mit Wasser gefluteten Bühne stattfand.
Im Stück haben Krieg und Gifte die Welt zerstört – und Viren
Held des Stücks »Totenfloß« ist ein Mann, der sich Checker nennt, ein einarmiger, Blut hustender Monsterkerl im Strahlenschutzanzug, mit einigen gleichfalls verseuchten Endzeitkreaturen unterwegs in Richtung Rhein durch die gründlich zerstörte Bundesrepublik des Jahres 1950. »Checker checkt jeden, kaputte Gene, alle Toxine, Viren, Radioactivity«, heißt es im Stück über die durchaus heute noch aktuellen Kriegs-, Seuchen- und Umweltkatastrophen, von denen »Totenfloß« erzählt. Der Kritiker Joachim Kaiser erkannte in der »Süddeutschen Zeitung« in Muellers Drama eine moderne Version »der Sintflut samt Arche Noah«.
Mueller wurde in Zeitungsporträts wegen des ähnlichen Namens immer mal wieder mit dem weitaus bekannteren und viel pathetischer auftrumpfenden Theaterautor Heiner Müller (1929 bis 1995) verglichen. Er lebte von Mitte der Siebzigerjahre an viele Jahre lang zurückgezogen auf der Insel Sylt und zuletzt in Berlin. Auf der Website des Autors ist zu lesen: »Das Theater war sein Leben. Sein unbändiger Freiheitswille und Schaffensdrang haben ihn bis zuletzt geleitet.« Nach Angaben seiner Familie ist Mueller »nach längerem Herzleiden« gestorben.
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