Best of 2023: Das waren die größten Popkultur-Momente des Jahres - DER SPIEGEL

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2023 war das Jahr der weiblichen Stars. Eine Feier der größten Sängerinnen der Welt, egal ob schwanger oder vor Kurzem aus dem Krankenhaus entlassen. Und es war »Barbie«-Zeit.

2023 war aber auch ein Jahr der generationenübergreifenden Popkulturphänomene: Urgestein Udo Lindenberg sang mit Rap-Popper Apache 207 den erfolgreichsten Song des Jahres in Deutschland, Madonna ging parallel zu Taylor Swift auf Welttournee, die Rolling Stones kamen auf TikTok an.

Und was war noch los? Das hier:


Rihanna beim Super Bowl: Ich genüge!

Schon klar, Rihanna war schwanger. Und dass sie beim Super Bowl überhaupt sang (wirklich?), tanzte (na ja) und performte (hm), auf jeden Fall aber: auftrat, das war ein Ereignis. Weil die Halbzeitshow beim American-Football-Finale immer ein Ereignis ist, diesmal aber ganz besonders. Denn es ging nicht um einzelne Moves, Songs oder Bilder, sondern ums große Ganze. Was von einigen als langweilig kritisiert wurde, manchen vielleicht sogar selbstgerecht schien, war in Wahrheit die größtmögliche Powerdemonstration: Ich bin Rihanna im roten Mantel, und das genügt. Sie ließ zahllose Männer um sich herumtanzen, die sie wie futuristische Riesenbabys anzog, und ließ sich zelebrieren. Ich fand das nicht langweilig, sondern herrlich. Es war der inspirierendste und empowerndste Auftritt dieses Jahres. Nicht wegen einer politischen Botschaft, sondern weil er Selbstliebe propagierte, auf die gute, in Wahrheit immer auch narzisstische Art: Ich genüge! Wie herrlich wäre es, wenn ich nächstes Jahr nur noch mittelmäßige, unoriginelle Texte abgeben könnte und meine Chefs und die Leser mich dafür abfeierten: fantastisch! Wieder Mittelmaß, aber von dir, das ist toll! Abgerackert haben wir uns doch viel zu lange. Das wird mein Motivationsposter dieses Jahr: Werde so gut, dass dir danach alles verziehen wird. Xaver von Cranach

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    »Barbenheimer«: Keks und Schokolade

    Normalerweise legen Hollywoodstudios großen Wert darauf, dass sich ihre Blockbuster nicht gegenseitig in die Quere kommen und die Zuschauer wegnehmen. So verteilen sie ihre erfolgsträchtigsten Filme gut über den Kinosommer, in den USA ist das die Hauptsaison. Das war in diesem Jahr anders. Universal und Warner Bros. entschieden sich, »Oppenheimer«  und »Barbie«  am gleichen Wochenende ins Kino zu bringen. Die Idee war vermutlich: Wer keinen Bock auf den einen Film hat, geht in den anderen. Düster und ernst gegen bunt und spaßig.

    Keks oder Schokolade? So hieß es einst in einer Werbung. Und die Antwort lautete natürlich: Keks und Schokolade! Ein Name für die Kino-Edition dieses Sowohl-als-auch war schnell gefunden, »Barbenheimer«. Ein kleiner, netter Internet-Irrsinn entwickelte sich zum kulturellen und kommerziellen Phänomen. Hollywoodstar Tom Cruise, der in diesem Sommer auch einen Film im Rennen hatte, sprang auf den rasenden Zug auf und riet dem Publikum, beide Filme zu sehen. Das rund fünf Stunden lange Doppelprogramm wurde zu einem Hit, die Filme befeuerten sich gegenseitig und spielten weltweit rund 2,4 Milliarden Dollar ein – eine enorme Summe. Greta Gerwigs Satire hatte am Ende die Nase gegenüber Christopher Nolans Epos deutlich vorn. Interessanterweise gibt es aber auch einige Länder, in denen es genau umgekehrt war, zum Beispiel Südkorea. Lars-Olav Beier

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      Pop als Mehrgenerationenprojekt: Atemlos und kometenhaft

      Viel war in den vergangenen Jahren vom Konflikt zwischen den Generationen die Rede. Ausgerechnet die Popmusik, einst exklusiver Tummelplatz der Jugend, hat nun offenbar ein groß angelegtes Mehrgenerationenprojekt gestartet: Drei Nummer-eins-Hits in den deutschen Single-Charts im Jahr 2023 hatten gemeinsam, dass sich dabei Künstler aus unterschiedlichen Alterskohorten zusammengetan hatten. Das Duett »Komet« des Ludwigshafener Rappers Apache 207, 26, mit dem ewigen Krisenmodusrocker Udo Lindenberg, 77, brach sogar den Rekord für die meisten Wochen auf Platz eins und wurde zum offiziellen Hit des Jahres in Deutschland.

      Und was hätte noch daraus werden können, wenn Lindenberg nicht durch eine Knie-OP zum »Dr. Humpelberg« geworden wäre?

      »Otto ist so süß, wie er leicht peilo da rumhüpft & so viel Spaß hat«, beschrieb YouTube-Nutzerin @justemily2175 vollkommen korrekt den Auftritt von Otto Waalkes, 75, mit den 26-jährigen Rappern Ski Aggu  und Joost Klein bei der »1Live Krone«-Gala des WDR. Die gemeinsame Hyperpop-Version von Ottos Sting-Parodie »Friesenjung« brachte den Sommer auf Betriebstemperatur. Im Herbst dann ließ Helene Fischer, 39, ihren Signature-Hit »Atemlos durch die Nacht« zum Zehnjährigen liften – mit zwei Rap-Strophen von Shirin David, 28. Felix Bayer

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        Konzertfilme von Popstars: Umjubelter Ersatz

        Für dieses Event musste man an keiner Ticketlotterie teilnehmen und auch nicht 200 Euro aufwärts blechen – wenn es denn mit einer Karte klappte: Der Konzertfilm war das Ersatzereignis des Jahres. Trotz langer und ehrenvoller Vorgeschichte wirkte er 2023 so genau auf die Bedürfnisse von Popfans abgestimmt wie selten zuvor. Taylor Swift ließ ihren Film zur »Eras«-Tour  nach den US-Daten und vor den europäischen Terminen laufen. So funktionierte er sowohl als Souvenir für die, die bereits auf einem der ausverkauften Konzerte gewesen waren, als auch als Teaser für die, die das Spektakel erst 2024 live sehen können. Ein Einspielergebnis von knapp 250 Millionen US-Dollar und der Titel als erfolgreichster Konzertfilm aller Zeiten waren der Beleg für diese überaus kluge Platzierung. Beyoncé präsentierte »Renaissance – A Film by Beyoncé«  dagegen zum Abschluss ihrer Tour und nutzte das Format, um Ausblick auf eine neue Phase in ihrem kreativen Schaffen – und damit ordentlich Gesprächsstoff – zu geben. Und die Fans? Nutzten beide Filme, um in aufwendig gestylten Outfits im Kino zu erscheinen und vor der Leinwand zu tanzen. Enthusiastischer wurde sich selten mit dem Zweitbesten, das ein Popstar zu bieten hat, abgefunden. Hannah Pilarczyk

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          Doku über die Nationalmannschaft: Der Flug der Graugänse

          Wer hat sie nicht schon erlebt, die Teambuilding-Maßnahmen, bei denen die Beteiligten unsicher um sich blicken, ob sie den anderen genauso peinlich sind. Man kann also ein wenig mitfühlen mit den jungen Männern, denen ihr Bundestrainer sagt: »Graugänse haben grundsätzlich nichts mit uns zu tun. Aber sie haben ein System entwickelt, wo sie Unglaubliches schaffen.« Die Szene ist festgehalten in der Doku »All or Nothing: Die Nationalmannschaft in Katar«  von Christian Twente, und man sieht die leeren oder verwunderten Blicke der Nationalkicker, die mit einem Film über den Flug der Graugänse zu Gemeinschaftssinn und Großtaten motiviert werden sollen. Es ging bekanntlich schief. Und nach dem WM-Aus wurde es nicht besser, Trainer Hansi Flick musste im September gehen. Vor den Testspielen war die Doku bei Amazon Prime Video veröffentlicht worden, und wer sie sah, musste sich wundern, wie Flick als besonders einfühlsame und klare Führungskraft gelten konnte. Filmisch eher guter Durchschnitt, zeigte die Doku aber auch intern passive Spieler. Mit diesen Gänsen wird es im EM-Jahr auch der neue Vorflieger Nagelsmann nicht leicht haben. Felix Bayer


          Fabian Hinrichs tanzt zu Foetus: Industrial-Punk in der Primetime

          Der Vater steht besoffen vor seinem Plattenspieler und schmeißt zu höllischen Elektrokaskaden den alten Körper hin und her, während seine Kinder peinlich berührt ins Glas schauen: Was für ein furioser Moment das in der ARD-Primetime doch war, als das Generationsdrama »Flunkyball«  im September ausgestrahlt wurde! Auf dem Plattenspieler läuft eine Nummer des irren Foetus , der Anfang der Achtzigerjahre mit seinen Industrial-Punk-Pamphleten über Krieg, Missbrauch und Selbstverstümmelung Künstler wie Nine Inch Nails oder Marilyn Manson beeinflusste – und der von Fabian Hinrichs gespielte Familienvater schreit: »Ich liebe es! Diesen antikapitalistischen Krach! Das ist meine Musik!« Dann schaut er mit glasigem Blick die Kids an und lallt, das sei denen wohl zu atonal. Zu wild. Ein Popmoment, der so fröhlich wie unversöhnlich das Unbehagen zwischen den Generationen zeigt: Wenn der Generation-X-Vater glaubt, den Punk geben zu müssen, bleibt dem Generation-Z-Nachwuchs nur die Flucht ins Spießertum. Christian Buß


          The Rolling Stones: Sympathie für das Chaoten-Couple

          Ich konnte mit den Rolling Stones nie wirklich viel anfangen. Was nicht so sehr damit zu tun hatte, dass sie den Zenit ihres Könnens überschritten hatten, bevor ich 1971 überhaupt auf die Welt kam, sie mir also schlicht zu alt gewesen wären. Sondern eher damit, dass ich, wenn ich die Wahl hatte, mich immer gegen Rock und für Pop entschieden habe. Der vollkommene Karrierebogen der Beatles sagte mir mehr als das Wilde-Männer-Theater der Stones. Das Künstlerduo Lennon/McCartney mehr als das Chaoten-Couple Jagger-Richards. Bis zu diesem Jahr. In dem ja nicht nur eine ganz okaye neue Beatles-Single  erschienen ist. Sondern eben auch ein neues Stones-Album . Als ich dann im Londoner Hotelkorridor stand und auf meine Termine mit Mick Jagger und Keith Richards wartete , sah, wie die Bandmitarbeiter neue Hüte für Richards und neue Hemden für Jagger brachten, wurde mir auf einmal klar, was das Geheimnis dieser Band ist: Jagger und Richards verkörpern schlicht die ganze Welt. Das Establishment und den Sumpf. Das Villenviertel und die Kaschemme. Das Kalkül und das Bauchgefühl. Das haben sie immer gemacht und werden es auch immer weiter machen, weil weder Jagger noch Richards jemals nachgeben werden. Sie sind die größte Band der Welt, weil sie die ganze Welt sind. Plus Himmel und Hölle. Tobias Rapp

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            Popsängerinnen auf Welttournee: Ein bisschen was von allem

            Auch wenn die Zeit der Lockdowns und Livestreams 2023 schon ziemlich weit entfernt wirkte, schien ein pandemisches Gefühl in diesem Jahr noch sehr präsent zu sein: das Bedürfnis nach echten Liveerlebnissen. Es wurde gleich mehrfach gestillt. Und zwar von den größten Popstars der Welt. Im März ging es los, mit Taylor Swift, die ihre »Eras Tour« in den USA begann. Im Mai folgte dann Beyoncé, mit der »Renaissance World Tour« . Und im Oktober begab sich Madonna auf krankheitsbedingt verspätete »Celebration Tour« . So verschieden die drei Popsängerinnen klingen, so unterschiedliche Fans sie anziehen mögen, eine Sache einte ihre Shows: der Drang, die eigene Legacy zu ordnen. Madonna  sang, tanzte und räkelte sich durch eine Art Live-MTV-Sendung über die Höhe- und Tiefpunkte ihres Popstarlebens. Beyoncé zeigte sich als Diva, Königin, Menschmaschine und arbeitete sich durch ihr Werk aus Soul, Disco, House. Und Taylor Swift führte ihre Swifties wie eine Reiseführerin durch »a little bit of everything«, wie sie im Film zur Tour sagt, durch ein bisschen was von allem aus der Swift-Welt. 2024 geht es weiter. Dann kommt Swift nach Deutschland. Jurek Skrobala

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